Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship (ABS) in der Pädiatrie

Die rasche und besorgniserregende Zunahme von Antibiotikaresistenzen ist im Wesentlichen auf den breiten und häufig unkritischen Einsatz von Antibiotika zurückzuführen. Verschiedene Studien gehen davon aus, dass 30 – 50% der Antibiotikagaben klinisch nicht gerechtfertigt sind. Deshalb wurden in den letzten Jahren Strategien zum rationalen Einsatz von Antibiotika entwickelt, die als Antibiotic Stewardship (ABS) bezeichnet werden. Bei Früh- und Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen sowie auch bei jungen Erwachsenen mit chronischen Grundkrankheiten (z.B Mukoviszidose), die in der ambulanten und stationären Kinder- und Jugendmedizin behandelt werden, gibt es in Bezug auf den rationalen Einsatz von Antibiotika ein Vielzahl an Besonderheiten, die spezielle pädiatrisch-infektiologische Kenntnisse und pädiatrisch-klinische Expertise erfordern.

Primäres Ziel des Antibiotic Stewardship (ABS) ist es, unseren Patienten – nach einer gezielten mikrobiologischen Diagnostik – die bestmögliche antimikrobielle Behandlung für ihre akute oder chronisch verlaufende Infektionskrankheit anzubieten. Ein ebenso wichtiges Ziel ist es, eine antimikrobielle Behandlung zu vermeiden bzw. zu beenden, wenn diese nicht (mehr) erforderlich ist. Wesentlicher Beweggrund für einen rationalen und zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika im Sinne des ABS ist der Schutz unserer Patienten vor

  • unnötigen, nicht indizierten Antibiotikaanwendungen und deren unerwünschten Wirkungen, wie z.B. Antibiotika-assoziierte Diarrhoe,
    Arzneimittelexantheme, Störungen Organfunktion.
  • der Selektion von Infektionserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen.
  • einer inadäquaten Antibiotikatherapie, die für die jeweilige Infektionskrankheit und deren Erregerspektrum nicht angemessen ist.
  • Fehlern in der Dosierung und beim Verabreichungsschema oder unerwünschten Interaktionen mit anderen Arzneimitteln.
  • einer zu langen Behandlungsdauer.

Ein klinisches ABS-Programm in Kinderkliniken erfordert – ausgehend von diesen Grundüberlegungen und den Leitlinien der Fachgesellschaften – die Optimierung der Antibiotikatherapie durch die Implementierung und kontinuierliche Weiterentwicklung eines personell und strukturell-organisatorisch angemessen ausgestatteten Teams, das von einem pädiatrischen Infektiologen [1] geleitet werden sollte. Falls in einer Kinderklinik kein pädiatrischer Infektiologe tätig ist, sollte zumindest ein Arzt die von der Bundesärztekammer empfohlene Fortbildung zum ABS-beauftragten Arzt [1] absolviert haben, um die Grundprinzipen von ABS möglichst flächendeckend in Kinderkliniken realisieren zu können.

In pädiatrischen Behandlungszentren der Tertiärversorgung mit mehreren eigenständigen Abteilungen (z.B. Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Kinderkardiologie, Kinderonkologie usw.) sollte jede Abteilung einen solchen ABS-beauftragten Arzt haben.

Im Auftrag der DGPI hat sich 2015 eine Arbeitsgruppe aus pädiatrischen Infektiologen (Arbeitsgruppe ABS) konstituiert, deren wichtigste Aufgabe darin besteht, ein nachhaltiges Konzept für ein Pädiatrie-spezifisches Fortbildungsangebot im Bereich ABS zu entwickeln, das sowohl in der pädiatrischen Weiterbildung als auch von Fachärzten [1] für Kinder- und Jugendmedizin genutzt werden kann. Dieses Kurskonzept der DGPI ist vom Vorstand der Bundesärztekammer in seiner Sitzung vom 23./24.03.2017 geprüft worden und wird den Landesärztekammern zur äquivalenten Anerkennung zum Curriculum „Antibiotic Stewardship – Grundkurs zum ABS-Beauftragten Arzt“ empfohlen.

Leitlinien der Fachgesellschaften und Übersichten

  • Huebner J, Hufnagel M, Liese J, Simon A, Tenenbaum T, von Both U, Weichert S: Antibiotic Stewardship – Konzeption und Umsetzung in der stationären Kinderheilkunde. S2k Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (federführend), Leitlinienregister der AWMF 2015; AWMF-Registernummer 048/15
  • Simon A, von Both U, Hufnagel M, Huebner J: Antibiotic Stewardship in der Kinder- und Jugendmedizin. Deutsches Ärzteblatt (eingereicht).
  • Ulrich von Both, Arne Simon, Markus Hufnagel, Johannes Hübner: Antibiotic Stewardship im stationären Bereich der Pädiatrie. Kinder- und Jugendarzt 2016 (in Druck).
  • Smith MJ, Gerber JS, Hersh AL. Inpatient Antimicrobial Stewardship in Pediatrics: A Systematic Review. Journal of the Pediatric Infectious Diseases Society 2015; 4: e127-135
  • Hyun DY, Hersh AL, Namtu K, et al.: Antimicrobial stewardship in pediatrics: how every pediatrician can be a steward. JAMA Pediatrics 2013; 167: 859-66.
  • de With K, Allerberger F, Amann S, Apfalter P, Brodt H, Eckmanns T, Fellhauer M, Geiss H, Janata O, Krause R, Lemmen S, E M, Mittermayer H, Porsche U, Presterl E, Reuter S, Sinha B, Strauß R, Wechsler-Fördös A, Wenisch C, Kern W. S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus, S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI) (federführend). Leitlinienregister der AWMF 2013; AWMF-Registernummer 092/001
  • Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA), Infectious Diseases Society of America (IDSA), Pediatric Infectious Diseases Society (PIDS): Policy statement on antimicrobial stewardship by the Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA), the Infectious Diseases Society of America (IDSA), and the Pediatric Infectious Diseases Society (PIDS). Infection Control & Hospital Epidemiology 2012; 33: 322-7
  • Dellit TH, Owens RC, McGowan JE, Jr., et al.: Infectious Diseases Society of America and the Society for Healthcare Epidemiology of America guidelines for developing an institutional program to enhance antimicrobial stewardship. Clinical Infectious Diseases 2007; 44: 159-77.

Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship in der Pädiatrie der DGPI

Dr. Johannes Forster
(Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Universität Würzburg)

Prof. Dr. Johannes Hübner*
(Abteilung für pädiatrische Infektiologie, Dr. von Haunersches Kinderspital, München; Koordinator der Arbeitsgruppe)

Prof. Dr. Markus Hufnagel
(Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Prof. Dr. Johannes Liese
(Schwerpunkt Pädiatrische Infektiologie und Immunologie der Universitäts-Kinderklinik Würzburg)

Dr. Luise Martin
(Klinik für Pädiatrie m.S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité – Universitästmedizin Berlin)

Dr. Alenka Pecar
(Krankenhausapotheke, LMU München)

Prof. Dr. Arne Simon*
(Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg; Koordinator der Arbeitsgruppe)

Prof. Dr. Tobias Tenenbaum
(Pulmologie, Infektiologie und Allergologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Mannheim)

Dr. Stefan Trapp
(Gemeinschaftspraxis, Bremen)

Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich von Both
(Abteilung für pädiatrische Infektiologie, Dr. von Haunersches Kinderspital, München)

Dr. med. Stefan Weichert
(Pädiatrische Infektiologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Mannheim)

*Die beiden Koordinatoren der Arbeitsgruppe vertreten die Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship in der Pädiatrie im erweiterten DGPI Vorstand.

[1] Die hier verwandten Personen- und Berufsbezeichnungen sind, auch wenn sie nur in einer Form auftreten, gleichwertig auf beide Geschlechter bezogen.