Es gibt große Unterschiede im Antibiotikaverordnungsverhalten (Menge und Auswahl der Antibiotika), die zu Konflikten zwischen den Verordnern wie auch mit den Patienten führen können und eine rationale Antibiotikatherapie erschweren.

Die AG ABSaP hat daher praxisnahe Empfehlungen zur antibiotischen Standardtherapie häufiger Infektionskrankheiten in der pädiatrischen Praxis entwickelt und erstmalig 2019 publiziert. Im März 2024 ist eine letzte Aktualisierung (Version 3) erfolgt. Änderungen gegenüber der Version 2 aus dem Jahr 2022 sind in dem Dokument gelb markiert. Sie betreffen:

  • Aufnahme einer „delayed prescription“ als ein allgemeines Therapieziel im Rahmen einer rationellen Antibiotikatherapie (z.B. bei akuter Otitis media)
  • Ergänzung der Post-Streptokokken Glomerulonephritis als Indikation zur Bestimmung des ASL-Titers bei V.a. immunologische Folgererkrankungen einer A-Streptokokken-Infektion
  • Änderungen bzw. Präzisierungen bei der Therapiedauer von Tonsillopharyngitis, akuter Otitis media, ambulant erworbener Pneumonie, Pyelonephritis
  • Präzisierung der Dosierung von Ciprofloxacin-Ohrentropfen bei Otorrhoe mit Paukenröhrchen
  • Streichen der Indikation perforierte Pseudomonas-Otitis media aus der Liste
  • Präzisierung der Altersgrenze beim Einsatz von Doxycyclin (ab 8 Jahre) und Streichen der Empfehlung zum Einsatz bei akuter Sinusitis (erste Wahl Amoxicillin unabhängig vom Alter des Patienten)
  • Ergänzung der Pertussis-Boosterimpfung in der Schwangerschaft
  • Einnahme von Fosfomycin nach Blasenentleerung bei Mädchen ab 12 Jahren und 50 kg KG bei unkomplizierter Zystitis
  • Ergänzung weiterer Therapieoptionen bei Nachweis von Resistenzen im Rahmen von Harnwegsinfektionen (Pivmecillinam und Nitroxolin)
  • Streichen von Amoxicillin + Clavulansäure bei Pyelonephritis aufgrund der Resistenzsituation bei E. coli und anderen Enterobacteriaceae
  • Korrektur beim Hinweis von Nitrofurantoin zur eingeschränkten Zulassung bei Langzeit-Prophylaxe (keine eingeschränkte Zulassung bei Akuttherapie einer unkomplizierten Zystitis)
  • Streichung der topischen Therapie mit Fusidinsäure bei Impetigo contagiosa (durch Antiseptika zu ersetzen) und Ersetzen der systemischen second-line-Therapie von Amoxicillin + Clavulansäure (zu breites Spektrum) durch Clindamycin oder Cotrimoxazol bei ausgedehntem Befall
  • Reduktion der minimalen Inkubationszeit nach Zeckenstich bis zum Erstauftreten eines Erythema migrans auf minimal 3 Tage und Verzicht auf serologische Kontrollen bei Erythema migrans
  • Präzisierung der Docycyclin-Dosis bei Borreliose mit durchgehend 4 mg/kg/Tag als Einzeldosis am Tag p.o.
  • strengere Indikationsstellung zur topischen antibiotischen Therapie bei eitriger Konjunktivitis

Eingeschränkt anwendbar sind die Empfehlungen bei Vorliegen besonderer Ausgangsbedingungen wie Grunderkrankung, komplizierter Verlauf, junges Säuglingsalter, antibiotische Vorbehandlung, Auslandsaufenthalt usw.

Die Antibiotikatherapie-Empfehlungen der AG gelten nach einem intensiven Konsentierungsprozess innerhalb der AG-Mitglieder unter Beteiligung der Fachgesellschaften von BVKJ und DGPI als Standardbehandlung. Ziele der Standardbehandlung sind die Reduktion und die Verbesserung der Qualität von Antibiotikaverordnungen in der ambulante Medizin durch:

  • Vermeiden bzw. sofortiges Beenden von unnötigen Antibiotikatherapien (bei Virusinfektionen und auch bei leichten selbstlimitierenden bakteriellen Erkrankungen bei Immunkompetenten)
  • Empfehlen einer kurzfristigen Kontrolle anstelle einer Antibiotikatherapie in unklaren Situationen ohne Risikokonstellation („wait and watch“)
  • ggfls. „delayed prescription“ bei speziellen Indikationen (z.B. akute Otitis media)
  • Antibiotika so kurz wie möglich und so schmal wie möglich verordnen
  • Reduktion von topischen Antibiotikatherapien (z.B. bei Haut- und Augeninfektionen)
  • Angabe von Dosis, Therapiedauer und Einnahmebedingungen (z.B. Bezug zu Mahlzeiten)
  • Vermeiden von kritischen Antibiotika wie Cephalosporinen (Risikofaktor für Resistenzentwicklung, schlechte orale Bioverfügbarkeit) und lang wirksamen Makroliden (Risikofaktor für Resistenzentwicklung)

Antibiotikaverordnungen finden in einem sozialen Rahmen statt. Dafür können und sollen die Empfehlungen an lokale bzw. regionale Behandlungssituationen angepasst werden. Dazu gehören z.B. spezielle lokale Resistenzsituationen, die eine alternative Antibiotikaauswahl erfordern. Die AG stellt dafür gerne über o.g. Kontakt-E-Mail eine Word-Version der Empfehlungen zur Verfügung, die als Grundlage für eine lokale Empfehlung verwendet werden kann. Solche abgeänderten Empfehlungen müssen entsprechend gekennzeichnet werden und liegen in der Verantwortlichkeit des Anfordernden und nicht mehr in der Verantwortlichkeit der AG ABSaP!


Publikationen zur Nutzung von KV-Routinedaten über Antibiotikaverordnungen in Bielefeld und Westfalen-Lippe als Grundlage für Antibiotic Stewardship in der ambulante Medizin finden Sie unter Publikationen