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Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK)

Hyperinflammationssyndrom im Zusammenhang mit COVID-19

(Stand 06.05.2020)


Aufgrund der aktuellen Pandemie mit dem Coronavirus besteht eine allgemein erhöhte Aufmerksamkeit (Vigilanz) für schwer verlaufende Krankheitsbilder im Kindesalter. Aus den Ländern, die ausgeprägt von COVID-19 betroffen sind (z.B. Spanien, Italien und England), gibt es seit Ende April 2020 gehäufte Berichte von Kindern mit schweren Entzündungsreaktionen. Der zeitliche Zusammenhang mit der aktuellen Corona Pandemie, örtliche Häufungen (sogenannte Cluster) in einigen Kliniken, aber auch ein positiver Virusnachweis bei einigen dieser Kinder ist auffällig, lässt allerdings derzeit keine direkte Kausalität zu.

Schwere Verläufe von COVID-19 sind bei Kindern und Jugendlichen sehr selten. Allerdings sind auch in dieser Altersgruppe einige wenige Fälle mit Aufnahme schwer kranker Kinder auf der Intensivstation mit klinischen Schockzeichen und noch viel seltener mit Versterben beschrieben. Die Krankheitsverläufe sind in der Regel nicht typische Lungeninfektionen, sondern zeigen sich vermehrt als gastroenterologische Beschwerden oder ähneln einem atypischen Kawasaki Syndrom (KS) mit allgemeiner Gefäßentzündung (Vaskulitis) und teilweise myokardialer Funktionseinschränkung. Jedoch nicht in allen Fällen lässt sich der beschriebene Krankheitsverlauf mit dem typischen Krankheitsbild KS vereinbaren (inkomplettes Kawasaki Syndrom). Gemeinsam erscheint diesen Manifestationen eine schwer verlaufende, allgemeine überschießende Entzündungsreaktion mit Vaskulitis zu sein.

Hyperinflammationssyndrome sind insgesamt selten, bei Kindern aber bereits vor der COVID-19 Pandemie gut bekannt gewesen. Unterschiedliche Erkrankungen insb. Infektionen mit Viren und Bakterien können solche schweren Entzündungsreaktionen (Zytokinsturm) auslösen, nachgewiesen ist dies bei der Hämophagozytischen Lymphohistiozytose (HLH), beim Makrophagen-Aktivierungssyndrom (MAS), bei einigen Verlaufsformen der Blutvergiftung (Sepsis) und dem Toxic-Schock-Syndrom. Beim Kawasaki Syndrom wird ein ähnlicher Mechanismus vermutet, wobei es hier auch zu einer Vaskulitis kommt. Isolierte vaskulitische Zeichen an Fingern und Zehen wurden auch bei COVID-19 beschrieben. In der Regel lässt sich diese überschießende Entzündung sehr gut mit Kortison oder anderen Immunsuppressiva und Immunglobulinen behandeln.

Da aktuell aus wenigen Kliniken Meldungen von solchen schweren Krankheitsverläufen insb. aus Spanien, Italien und England vorliegen, ist es sinnvoll, dies besonders zu beobachten und auszuwerten. In Deutschland sind solche offensichtlichen Häufungen noch nicht bekannt. Auch sind die absolut berichteten Zahlen solcher Fälle in Europa sehr gering, daher kann von einer generellen Gefährdung der Kinder aktuell nicht gesprochen werden. Es besteht ein übergeordnetes Interesse des Robert Koch Instituts (RKI) sowie der deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) an diesem sehr seltenen Krankheitsgeschehen.

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie hat ein aktives Meldesystem für stationär behandelte Kinder die an COVID-19 erkrankt sind und die von Seiten der DGPK und andere pädiatrischer Gesellschaften uneingeschränkt unterstützt wird. Laut dieses Melderegisters wurden in Deutschland bis Anfang Mai bisher 128 Kinder stationär behandelt, 17 Kinder benötigten eine Intensivmedizinische Behandlung. 2 der gemeldeten Kinder hatten koinzident ein Kawasaki Syndrom. Keines der Kinder ist verstorben.

Für Deutschland liegen valide Inzidenzen für das Kawasaki-Syndrom vor. Diese liegen bei 6,4 -7,2/100.000 Kinder < 5 Jahre1, d.h. es muss hierzulande auch ohne eine COVID Pandemie mit ca. 430 – 500 Fällen /Jahr in dieser Altersklasse gerechnet werden. Ob aktuell eine Häufung von Kindern mit Kawasaki Syndrom auftritt kann also nur vor dem Hintergrund der bestehenden Inzidenz beantwortet werden.  Es ist nicht davon auszugehen, dass Kinder, die in der Vergangenheit ein Kawasaki Syndrom durchgemacht haben, in besonderer Weise gefährdet wären.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass international auf regionaler Ebene einige (Cluster) vermehrte Krankheitsverlaufe mit sog. Hyperinflammationszuständen bei Kindern berichtet werden. Eine vermehrte Vigilanz diesbezüglich ist geboten, daher ist es wichtig, dass alle Kinder im Rahmen dieses bundesweiten Meldesystems erfasst werden. Die absoluten Fallzahlen sind sehr gering und sollen daher zu keiner generellen Sorge der Eltern führen.


Behandlung von Kindern mit COVID-19 auf der Intensivstation

Dieses Dokument soll für medizinische Fachkreise als Diskussionsgrundlage für die Diagnostik und Therapie bei schwer kranken Kindern mit COVID-19 oder KD / Vaskulitis nach SARS-CoV-2 Anamnese/Kontakt dienen. Respiratorische Symptome und Dyspnoe können vorkommen, stehen aber eher im Hintergrund. Die häufigsten Symptome sind Fieber und Husten, gefolgt von Müdigkeit, Rhinorrhoe, Halsschmerzen, Kopfschmerzen und gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall.


Falldefinition

Hyperinflammationssyndrom bei Kindern und Jugendlichen < 18 Jahre in Zeiten der COVID-19 Pandemie.

  1. Anhaltendes Fieber > 38,5°C (>=5 Tage)
  2. Klinische Symptome können allumfassend vorliegen, diese sollen explizit die klassischen Symptome des Kawasaki Syndromes einschließen
  3. Laborparametrische Zeichen der ausgeprägten Inflammation CRP, Neutrophilie
  4. Mindestens eine manifeste Organdysfunktion (Herz, Lunge, Niere, Gastrointestinal oder ZNS)
  5. Ausschluss anderer mikrobieller Ursachen (incl. bakterielle Sepsis, Staphylokokken oder Streptokokken-Schocksyndrome
  6. Ausschluss primäre Myokarditis die nachgewiesen nicht sekundär durch die Hyperinflammation begingt ist
  7. Unabhängig von SARS-CoV-2 PCR-Tests (positiv oder negativ möglich)

Diagnostik bei Aufnahme

  • Labor: BB mit Diff., Elektrolyte, BGA, Laktat, Leber- und Nierenwerte, Harnstoff, Gerinnung mit D-Dimeren, Fibrinogen, AT III, FVIII, vW-Antigen, Blutungszeit, CrP, Procalcitonin, IL-6, Ferritin, löslicher IL-2-Rezeptor, CK, CK-MB, Myoglobin, Trop-I/-T, pro-BNP, Triglyzeride, C3, C4, C3d (wenn verfügbar), Haptoglobin, Immunglobuline IgG, IgA, IgM, IgE, zur Differentialdiagnose: ANA, ANCA
  • Blutausstrich: (Fragmentozyten?), bei Hämolyse oder gravierender Thrombozytopenie (< 100.000/µl)
  • Serum asservieren: für SARS-CoV-2 Serologie
  • Urin: Streifentest, wenn auffällig: Detailanalyse (Elektrolyte, Eiweiß, Myoglobin, Sediment) und Erregersuche
  • Virologische Diagnostik: Tiefer Nasen-Rachenabstrich auf SARS-CoV-2 und in der Saison auf Influenza, RSV (ggf. Multiplex PCR); bei beatmeten Patienten, wenn stabil auch BAL (mitunter ist die BAL noch SARS-CoV-2 PCR-positiv, der Nasenrachenabstrich nicht mehr).
  • Bakteriologische Diagnostik: Blutkultur(en), ggfl. SeptiFast™ (wenn in der Routine verfügbar), wenn beatmet Trachealsekret oder BAL
  • Echokardiografie: mit Darstellung Koronararterien – ggf. Myokardbiopsie
  • Sonographie Abdomen
  • Weitere radiologische Diagnostik: nach Symptomatik und therapeutischer Relevanz  (CT Thorax, MRT Schädel, etc.)
  • Zur Therapie des Kawasaki Syndroms: Leitlinie der Gesellschaft für Kinder-und Jugendrheumatologie und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler: Kawasaki Syndrom
  • Zur Therapie des Hyperinflammationssyndroms in Zusammenhang mit COVID-19: Stellungnahme der DGPI, GPP, API, GKJR und STAKOB zur medikamentösen Behandlung von Kindern mit COVID-19

Koordinatoren

Prof. Dr. Johannes Hübner (DGPI)
Prof. Dr. Arne Simon (DGPI)
Prof. Dr. Nikolaus Haas (DGPK)
Dr. Karl Robert Schirmer (DGPK)