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Stellungnahme der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)

Kinder mit hämatologisch-onkologischen Erkrankungen und COVID-19 Infektionen

Stand 24.3.2020


Kinder mit Krebserkrankungen haben während der intensiven Therapie und nach Stammzelltransplantation ein erhöhtes Risiko für potentiell lebensbedrohliche Infektionen. Schon vor der SARS-CoV-2 Pandemie wurden daher in dieser Patientengruppe Maßnahmen der Basishygiene und Infektionsprävention sowohl stationär als ambulant mit besonderem Nachdruck durchgeführt. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den hierüber gezielt aufgeklärten, geschulten Patienten und ihren Familien. Im Unterschied zu zahlreichen anderen Viren, die bei Kindern mit Krebserkrankungen lebensbedrohliche Infektionen verursachen können (z.B. Influenza, Respiratory Syncytial Virus, Parainfluenzavirus Typ III, Humanes Metapneumovirus), ist die Bedeutung von COVID-19 (= SARS-CoV-2 Infektion) für diese Patientengruppe noch unklar. Grundsätzlich zeigen die bislang publizierten Daten, dass Kinder seltener erkranken, das Virus oft auch ohne Symptome verbreiten, und nur ein kleiner Anteil der Kinder (ca. 5% der Infizierten) einer intensivmedizinischen Behandlung bedarf. In einem chinesischen Bericht von 171 Kindern mit bestätigter COVID-19-Infektion hatten zwar knapp 16% der Patienten keine Symptome einer Erkrankung, drei der Patienten benötigten jedoch intensivmedizinische Maßnahmen einschließlich einer mechanischen Beatmung (Lou, NEJM 2020; DOI: 10.1056/NEJMc2005073; Sun et al, World J Pediatrics 2020; DOI.org/10.1007/s12519-020-00354-4). Einer der Patienten hatte eine Leukämie und war zum Zeitpunkt der Infektion immunsupprimiert.

Anhand der bisher verfügbaren Daten kann nicht sicher beurteilt werden, wie hoch das Risiko von Kindern mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen für einen schweren Verlauf von COVID-19 ist. Dass ein solches Risiko besteht, ist aus der bisherigen Erfahrung mit COVID-19 und anderen respiratorischen Viren unbestreitbar.

Dass bisher erst wenige Fälle von COVID-19 bei krebskranken Kindern berichtet wurden, liegt wahrscheinlich auch an den besonderen Schutzmaßnahmen, die bei dieser Patientengruppe als gute Praxis der Basishygiene üblich sind (z.B. gesonderte Wartezimmer, kein Schulbesuch während der intensiven Therapie, striktes Vermeiden von Kontakt zu hustenden oder fiebernden Kontaktpersonen usw.). Kinderonkologische Patient*innen nur aufgrund der niedrigen Zahl publizierter COVID-19 Fälle als „nicht besonders vulnerabel“ auszuweisen, wäre ein unverantwortliche und äußerst gefährliche Fehlinterpretation.

Hinzu kommt:

  • Nach bisherigem Kenntnisstand zur Dauer der Ausscheidung von Atemwegsviren ist es sehr wahrscheinlich, dass bei hochgradig immunsupprimierten Patienten die Ausscheidungsdauer vermehrungsfähiger SARS-CoV-2 signifikant verlängert ist.
  • Ein einziger Fall eines unerkannten SARS-CoV-2 -positiven Patienten auf einer kinderonkologischen Station würde massive Probleme der Eindämmung nach sich ziehen, obwohl die Zahl der Begleitpersonen bereits auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert wurde;
  • kinderonkologische Abteilungen können die Zahl der stationären Aufnahmen nicht relevant dadurch reduzieren, dass elektive Aufnahmen abgesagt oder verschoben werden. Zurzeit sind kinderonkologische Stationen in gleichem Ausmaß belegt wie vor der Pandemie. Eine Deintensivierung oder Verschiebung der zwingend erforderlichen onkologischen Therapie würde die Überlebenswahrscheinlichkeit dieser Kinder reduzieren.
  • Wenn es im Krankenhaus zu einer unerkannten Exposition des Pflegepersonals gegenüber SARS-CoV-2 und nachfolgend zu nosokomialen COVID-19 beim Pflegepersonal kommt, kann durch den Wegfall dieser hochqualifizierten und spezialisierten Pflegekräfte die stationäre Versorgung in der Kinderonkologie nicht mehr gewährleistet werden.

Die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) empfehlen deshalb, kinderonkologische Patienten während der Therapie weiterhin als Hochrisikopatienten für Infektionen anzusehen, was bis zum Beweis des Gegenteils auch für Infektionen mit SARS-CoV-2 gilt. Neben den allgemein üblichen und empfohlenen Schutzmaßnahmen werden spezifische Regelungen wie Besuchszeiten, Schutzmasken und Indikation zur Testung von den lokalen Institutionen vorgegeben und in kurzen Abständen an offiziellen Empfehlungen, wie z. B. durch das Robert Koch-Institut angepasst.

Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften (inkl. der DGKJ und der DAKJ) ein Erfassungsmodul für die Daten von stationär behandelten SARS-CoV-2 positiven Kinder zugänglich gemacht. Unter der Email-Adresse dgpi-surveys@ukdd.de können Fragen zum Survey oder Fragen zum konkreten Management von Patienten gestellt werden.

Zusätzlich wird in Kürze ein internationaler Survey starten, in dem speziell pädiatrisch-onkologische Patienten gemeldet werden sollen (Rückfragen bei Prof. Groll, Münster, oder Prof. Lehrnbecher, Frankfurt). Die GPOH und die DGPI halten es für sinnvoll, möglichst alle verfügbaren Informationen in diese Surveys einzubringen.