Am 08.07.2018 verstarb Prof. Dr. med. habil. Werner Handrick in Leipzig, ein Pionier der klinischen Infektiologie.
Werner Handrick war am 13.11.1939 in Dauban in der Oberlausitz geboren worden. Nach dem Abitur in Niesky studierte er von 1958 bis 1964 Humanmedizin in Leipzig und promovierte 1964 mit der Arbeit „Über den alters- und geschlechtsabhängigen Betrag des anorganischen Phosphors im menschlichen Blutserum“. Bis 1970 war er Assistent am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Epidemiologie der Universität Leipzig bei Prof. Georg Wildführ und wurde Facharzt für Mikrobiologie. 1970 wechselte er an die Universitätskinderklinik Leipzig, wo er 1975 seine Weiterbildung zum Facharzt für Pädiatrie abschloss.
1970 bis 1979 widmete er sich als Leiter des Bakteriologischen Labors der Klinik dem Aufbau einer vorbildhaften patientennahen pädiatrischen Infektiologie, ab 1979 zusammen mit dem Mikrobiologen Friedrich-Bernhard Spencker. 1982 habilitierte er sich mit der Arbeit „Prospektive Untersuchungen zur Bedeutung von bakteriologischer Diagnostik, Antibiotika-Regime und Krankenhaushygiene für die Bekämpfung neonataler Infektionen“. Es folgten 1982 die Ernennung zum Oberarzt der Klinik und 1994/95 die Berufung zum Hochschuldozenten und zum apl. Professor für Pädiatrie mit dem Schwerpunkt Infektiologie und Infektionsimmunologie.
Obwohl er eigentlich aus einem nichtklinischen Fach gekommen war, wuchs seine Kompetenz in klinischen Fragen zunehmend. So spielte er bei den Besprechungen über Patienten mit seltenen Erkrankungen oder komplizierten Krankheitsverläufen oft eine Schlüsselrolle. Immer wieder eindrucksvoll war, wie er sofort aus seinem unermesslichen Archiv eine Handvoll Sonderdrucke zur Beantwortung offener Fragen präsentieren konnte.
2001 sah sich Werner Handrick infolge von nun für ihn unzumutbar gewordenen Arbeitsbedingungen an der Universitätskinderklinik Leipzig veranlasst, die akademische Ebene der Universität zu verlassen. Er wechselte als wissenschaftlicher Beirat an das Institut für Medizinische Diagnostik Oderland nach Frankfurt/Oder.
Unermüdlich war er bemüht, die Bedeutung der klinischen Infektiologie breit zu vermitteln. Er veröffentlichte mehr als 600 Arbeiten als Erst-, Ko- und Senior-Autor in wissenschaftlichen medizinischen Zeitschriften und mehrere Beiträge in 12 wissenschaftlichen Büchern. Sehr hervorzuheben ist seine aktive Mitarbeit am „DPGI-Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen“ in der 1. bis 7. Auflage 1995-2018. Er war Autor bzw. (Mit-)Herausgeber mehrerer Bücher: Tauchnitz C, Handrick W: Rationelle antimikrobielle Chemotherapie. 3. und 4. Aufl., J. A. Barth, Leipzig, 1986 und 1989; Handrick W, Roos R, Braun W (Hrsg.): Fetale und neonatale Infektionen. Stuttgart, Hippokrates, 1991; Handrick W: Fieber unklarer Genese: Definitionen, Hinweise, diagnostisches Vorgehen. Unter Mitarbeit von Gisbert Menzel. Stuttgart, Wiss. Verl.-Ges., 2006.
Prof. Handrick war Mitglied der Gesellschaft für Pädiatrie bzw. der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. In einer infektiologischen Arbeitsgemeinschaft für Kinder in der DDR war er an der Erarbeitung zahlreicher praxisnaher Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe für die wichtigsten Infektionskrankheiten beteiligt.
Er wurde 1991 Gründungsmitglied und Mitglied des Beirates bzw. 2. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI). 1993 war er Mitausrichter des 2. DGPI-Kongresses in Leipzig. 1999 wählte man ihn zum ersten Vorsitzenden der DGPI. Dieses Amt legte er 2001 nieder, weil man ihm leider an seiner Heimatuniversität dazu keine Luft mehr zum Atmen gab. 2009 wurde er zum Ehrenmitglied dieser Gesellschaft ernannt.
Werner Handrick engagierte sich sehr stark auch international und war hier sehr gut vernetzt. Von 1993 bis 1999 war er Vorstandsmitglied (Schatzmeister) der European Society for Paediatric Infectious Diseases (ESPID).
Auf vielen nationalen und internationalen Kongressen vertrat er engagiert sein Fachgebiet. 1999 war er Initiator des ersten „Infektiologischen Intensivkurses der DGPI“ in Eisenach, der seitdem jährlich in wechselnden Städten durchgeführt wird. Bei der Sächsischen Landesärztekammer in Dresden wirkte er als Prüfer im Fach Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie.
Bedeutungsvoll war sein Wirken als aktives Mitglied der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Für seinen Einsatz auf dem wichtigen interdisziplinären Gebiet der Infektionsmedizin mit dem Schwerpunkt des rationellen Einsatzes von Antibiotika erhielten er 2011 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Bis in die Gegenwart erreichten ihn aus allen Gebieten der Medizin Aufforderungen zu Gutachten und fachliche Anfragen, die er stets kompetent und praxisrelevant bearbeitete. So wirkte er in seiner wissenschaftlichen und klinischen Tätigkeit weit über die Universität hinaus und blieb dabei stets bodenständig. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke. Er bleibt als unermüdlich arbeitender, fachlich überaus kompetenter und ehrlicher Kollege im Gedächtnis seiner ärztlichen Kollegen, Mitarbeiter und Freunde.
Prof. Dr. med. habil. Michael Borte, Leipzig
Dr. med. Wolfgang Hoepffner, Leipzig
Dr. med. habil. Wolfgang Kunze, Brandis