Am 6. Oktober 2019 verstarb der ehemalige Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr. Klemens Stehr im Alter von 89 Jahren.
Klemens Stehr wurde 1930 in Wattenscheid geboren. Nach dem Medizinstudium 1950-56 in Würzburg, Düsseldorf und München und Promotion folgte die Facharztausbildung zum Pädiater an der Kinderpoliklinik der Universität München. 1962 habilitierte er „Über die Biologie therapieresistenter Enterobakterien“ und wurde 1968 zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1970 wurde Klemens Stehr Oberarzt (ab 1974 in leitender Funktion) der Kinderklinik der Technischen Universität in München-Schwabing, und 1977 erhielt er einen Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg auf den Lehrstuhl Pädiatrie mit Leitung der Universitätskinderklinik.
Während seiner 21-jährigen Leitung als Direktor erweiterte Klemens Stehr die Erlanger Universitätskinderklinik um die Schwerpunkte Labormedizin, Neonatologie, Nephrologie, Intensivmedizin, Kardiologie, und Onkologie mit Knochenmarktransplantation.
Seine große Leidenschaft galt der pädiatrischen Infektiologie und insbesondere der Impfprävention. Klemens Stehr war 1991 Gründungsmitglied und 2. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Er war der Ausrichter der ersten Jahrestagung der DGPI 1992 in Erlangen und engagierte sich als langjähriger Mitherausgeber des DGPI Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen.
Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass die von ihm geleitete Erlanger Universitätskinderklinik 1985 als erste deutsche Kinderklinik (zeitgleich mit derjenigen in Essen) in eine „Klinik für Kinder und Jugendliche“ umbenannt wurde. Konsequent stellte er anschliessend Jahr für Jahr auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde den Antrag der Umbenennung in „Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin„. Im Jahr 1996 war es dann soweit, dass sein Antrag erstmals mehrheitlich angenommen wurde.
Unter seiner Ära habilitierten viele ärztliche Mitarbeiter und erhielten in der Folge Lehrstühle oder leitende Funktionen im In- und Ausland. In mir hat er die Begeisterung an der pädiatrischen Infektiologie und Vakzinologie geweckt. Dafür bin ich im zutiefst dankbar.
Die Lehre war ihm immer ein grosses Anliegen. So war er für ihn selbstverständlich, die Vorlesungen in der Pädiatrie jedes Semester seiner Amtszeit konsequent selbst zu halten – der alten Schule folgend mit täglichen Patientenvorstellungen und von einer Vorlesungsassistentin oder –assistenten aus dem Ärztepool begleitet.
Seine Forschungsarbeiten, insbesondere zur Masern- und Pertussisimpfung, und seine profunde vakzinologische Expertise führten zur Berufung in die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut im Jahr 1988, deren Mitglied er bis zu seiner Emeritierung 1998 blieb. Neben zahlreichen Publikationen machte er sich einen Namen als Mitherausgeber des „Impfkompendiums“, dem Standardwerk der deutschsprachigen Impfliteratur.
Für seine Tätigkeit wurde Prof. Klemens Stehr 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt und erhielt 1999 den Bayerischen Verdienstorden.
Neben zahlreichen Mitgliedschaften pädiatrischer Gesellschaften wurde Prof. Stehr wegen seiner Verdienste um die Kinderchirurgische Abteilung der Universität Erlangen 1997 zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) ernannt.
Die Jagd und Forstwirtschaft waren seine grossen Leidenschaften, über viele Jahre in der Freizeit, dann auch weiterhin im Ruhestand. Legendär waren die Einladungen an sein Oberarztteam auf die Jagdhütte bei Berching in der Oberpfalz in der Vorweihnachtszeit. 2018 feierte er sein 50-jähriges Jagdpachtjubiläum, was die Lokalpresse mit einem Bericht „Prof. Stehr ist zur Institution geworden“ titulierte und würdigte. Als Zeichen der Dankbarkeit und seiner Verbundenheit zur Region gab er bei dem Münchner Künstler Prof. Henselmann eine Mariensäule in Auftrag, welche wenige Monate vor seinem Tod am Dorfplatz von Schweigersdorf aufgestellt wurde.
Klemens Stehr war ein fordernder, aber auch fördernder und gütiger Chef. Für seine Klinik und insbesondere die ihm anvertrauten Patienten war er immer zu sprechen. Wer ihn um Rat bat wurde mit den Worten „Für Sie habe ich immer Zeit“ begrüsst.
In Trauer, aber auch mit grosser Hochachtung und Dankbarkeit gedenken wir eines Arztes, der mit seinem Lebenswerk die Pädiatrie in Deutschland bereichert hat. Klemens Stehr war ein Familienmensch, er hinterlässt seine 2. Ehefrau, 7 Kinder, 25 Enkelkinder und 3 Urenkelkinder. Sie, und alle die das Privileg hatten, ihn kennen und schätzen zu dürfen, werden ihn schmerzlich vermissen. Klemens Stehr war praktizierender Katholik. Sein Glaube an die Auferstehung spendet den zurückgebliebenen Angehörigen und Freunden gewiss Trost.
Prof. Dr. med. Ulrich Heininger
Leitender Arzt Infektiologie / Vakzinologie
Universitäts-Kinderspital beider
Basel, Spitalstrasse 33
4056 Basel | CH