Hinweise zur Impfung gegen SARS-CoV-2 (COVID-Impfung) bei kinderonkologischen Patienten – Ergänzung Juni 2021 zur letzten Fassung März 2021

Stand 25.06.2021

Hans Jürgen Laws, Andreas Groll, Arne Simon, Johannes Hübner, Thomas Lehrnbecher,
für die AG „Infektionen“ der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (GPOH)
in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)

In der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) vom 8. Februar 2021 werden Menschen mit onkologischen Erkrankungen und nach Organtransplantation, der Priorisierungsgruppe 2 mit hoher Priorität zu geordnet (§3 Absatz 2 CoronaImpfV). Hierzu zählen Personen, deren Remissionsdauer weniger als 5 Jahre beträgt. Ebenso gehören 2 Kontaktpersonen in diese Gruppe (§3 Absatz 3 CoronaImpfV).

Für die Impfung von Kindern und Jugendlichen ist derzeit in Deutschland lediglich der mRNA Impfstoff von BioNTech/Pfizer Comirnaty® zugelassen.

Üblicherweise werden bei den Totimpfstoffen wenige, charakteristische Antigene von Viren oder Bakterien genutzt. Sie können unter onkologischer Therapie unbedenklich eingesetzt werden, ihre Wirksamkeit entspricht hierbei jedoch nicht der bei Gesunden. Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte Viren enthalten (z.B. gegen Masern, Röteln, Windpocken oder Mumps) sind während der intensiven onkologischen Therapie ausnahmslos kontraindiziert und sollen frühestens 6 Monate nach Ende der Therapie (bzw 2 Jahre nach allogener Stammzelltransplantation) eingesetzt werden. Keiner der bisher zugelassenen oder in klinischer Prüfung befindlichen Corona-Impfstoffe fällt in diese Kategorie und auch die Vektorimpfstoffe beinhalten nicht-vermehrungsfähige Viren.

Argumente für die SARS-CoV-2 Impfung bei kinderonkologischen Patienten

Nach derzeitigem Kenntnisstand haben Kinder und Jugendliche nur ein niedriges Risiko, schwer an COVID 19 zu erkranken. Dieses gilt auch für Kinder und Jugendliche, die eine onkologische Erkrankung haben und keine Stammzelltransplantation erhielten. Allerdings sind einzelne schwere Erkrankungsfälle bei kinderonkologischen Patienten beschrieben und eine SARS-CoV-2 Infektion während der intensiven Therapie führt in vielen Fällen, auch ohne jegliche klinischen Probleme, zu einer unerwünschten Unterbrechung der Therapie, was sich auf die Therapieintensität und auf den Therapieerfolg auswirken kann. Da eine SARS-CoV-2 Infektion jedweden Schweregrades möglicherweise zu einer Therapieverzögerung führt, ist der Schutz kinderonkologischer Patienten besonders wichtig. Dies ist in Einklang mit der STIKO Empfehlung vom 10.6.2021, in der nach Zulassung des Impfstoffes für 12-15-Jährige eine gemeinsame Empfehlung für die Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen gegeben wird (Epidemiologisches Bulletin 23/2021). Empfohlen wird dabei eine Verabreichung von 2 Impfstoffdosen im Abstand von 3 bis 6 Wochen für Kinder mit angeborener oder erworbener Immundefizienz. Allerdings wurden die bisherigen Impfstudien nicht an onkologischen Patienten durchgeführt, so dass zur Immunogenität der Impfung in der Zeit der Therapie (während der Immunsuppression) derzeit keine Aussage gemacht werden kann.

Mögliche Zeitpunkte der Impfung

Nationale und internationale Impfempfehlungen gehen davon aus, dass 3-6 Monate nach Ende der Chemotherapie keine schwerwiegende Immunsuppression mehr besteht und Auffrischimpfungen erfolgen können. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) empfiehlt Erwachsenen unter Chemotherapie die COVID-Impfung. Besonders naheliegend ist es, enge Kontaktpersonen der Patienten zu impfen, um das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 auf die Patienten zu reduzieren. Auch wenn nach heutigem Kenntnisstand keine der Impfungen eine Infektion mit dem Virus generell ausschließt und somit auch vollständig Geimpfte das Virus möglicherweise vorübergehend erwerben und übertragen können, ist die Wahrscheinlichkeit dafür sicher gegenüber einer symptomatischen Infektion bei nicht Geimpften deutlich reduziert. Daher hat Umgebungsprophylaxe der engen Kontaktpersonen einen besonderen Stellenwert.

Grundsätzliche Änderungen bei den erforderlichen Hygienemaßnahmen (AHA+L Regeln) oder bei der Indikation zu einer gezielten Diagnostik im Verdachtsfall (eines Screenings bei Mitaufnahme) ergeben sich durch Impfung nicht.

Die GPOH empfiehlt in Abstimmung mit der DGPI

  • die Impfung entsprechend der aktuellen Risikostratifizierung nach Priorisierungsgruppe 2 mit hoher Priorität.
  • Ein effektives Ansprechen nach der ersten Impfung ist im Allgemeinen 3 Monate nach Ende der Chemotherapie zu erwarten.
  • Über eine Impfung unter bestehender immunsuppressiver Therapie (inklusive während der Erhaltungstherapie einer Leukämie) soll individuell entsprechend der lokalen epidemiologischen Situation, sowie nach einer fachärztlichen Abwägung des zu erwartenden Nutzens versus mögliche Ineffektivität/kürzere Effektivität entschieden werden, da es bislang für diese Konstellation keine an größeren Populationen erhobenen Daten zur Wirksamkeit gibt.
  • Die routinemäßige Kontrolle von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 wird außerhalb von Studien nicht empfohlen. Zur Überprüfung der Immunantwort nach SARS-CoV-2 Impfung bei kinderonkologischen Patienten wird von der Arbeitsgruppe Infektionen der GPOH derzeit eine Studie durchgeführt. Wir bitten deswegen, bei Interesse Kontakt aufzunehmen (thomas.lehrnbecher@kgu.de).
  • Die Impfung von engen Kontaktpersonen (Angehörigen/Pflegenden) wird nachdrücklich empfohlen.
  • Geimpfte Patienten oder pflegende Angehörige (sowie Personen mit nachweislich durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion) sollen auch nach abgeschlossener Impfung sämtliche Hygienemaßnahmen (AHA + L) weiterhin einhalten und auf respiratorische Infekte bzw. Kontakt zu COVID-positiven Personen hinweisen.
  • Die Untersuchung asymptomatischer Patienten oder ihrer Begleitpersonen (SARS-CoV-2 Screening) soll auch bei geimpften Personen fortgeführt werden.
  • Kindern und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr mit onkologischer Grunderkrankung und einer Remissionsdauer von weniger als 5 Jahren wird die Impfung mit einem hierfür zugelassenen Impfstoff empfohlen.
  • Die Impfung von jüngeren Kindern oder Jugendlichen (derzeit < 12 LJ) außerhalb der aktuell gültigen Zulassung (off-label) wird nicht empfohlen
  • Die Impfung soll entsprechend der Zulassung intramuskulär erfolgen.