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Stellungnahme Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (GPOH) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)

Hinweise zur Impfung gegen SARS-CoV-2 (Covid-Impfung) bei kinderonkologischen Patienten

Stand 12.03.2021

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Hans Jürgen Laws, Andreas Groll, Arne Simon, Johannes Hübner, Thomas Lehrnbecher,
für die AG „Infektionen“ der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (GPOH)
in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)


In der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) vom 8. Februar 2021 werden Menschen mit onkologischen Erkrankungen und nach Organtransplantation, der Priorisierungsgruppe 2 mit hoher Priorität zu geordnet (§3 Absatz 2 CoronaImpfV). Hierzu zählen Personen, deren Remissionsdauer weniger als 5 Jahre beträgt. Ebenso gehören 2 Kontaktpersonen in diese Gruppe (§3 Absatz 3 CoronaImpfV).

Für die Impfung sind derzeit in Deutschland 3 Impfstoffe zugelassen; 2 nutzen die mRNA Technologie (BionTec/Pfizer Comirnaty® & Moderna) und der von AstraZenca eine Vektortechnologie. Die Zulassung eines weiteren Vektorimpfstoffes der Firma Janssen (eine Tochterfirma von Johnson&Johnson) wird Mitte bis Ende März erwartet. Ein weiterer Vektorimpfstoff (Sputnik V) befindet sich in der Zulassungsprüfung durch die EMA.

Üblicherweise werden bei den Totimpfstoffen wenige, charakteristische Antigene von Viren oder Bakterien genutzt. Sie können unter onkologischer Therapie unbedenklich eingesetzt werden, ihre Wirksamkeit entspricht hierbei jedoch nicht der bei Gesunden. Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte Viren enthalten (z.B. gegen Masern, Röteln, Windpocken oder Mumps) sind während der intensiven onkologischen Therapie ausnahmslos kontraindiziert und sollen frühestens 6 Monate nach Ende der Therapie (bzw 2 Jahre nach allogener Stammzelltransplantation) eingesetzt werden. Keiner der bisher zugelassenen oder in klinischer Prüfung befindlichen Corona-Impfstoffe fällt in diese Kategorie und auch die Vektorimpfstoffe beinhalten nicht-vermehrungsfähige Viren.

mRNA-Impfstoffe

Messanger-RNA Impfstoffe werden auch als Nukleinsäure-Impfstoffe bezeichnet. Sie verwenden mRNA (Boten RNA), die körpereigenen Muskelzellen die Anweisungen zur Herstellung des Impfantigens geben. Im Fall von COVID-19 sind dies das virale Spike (Stachel)-Protein bzw. Bestandteile davon.

Sobald die mRNA in die Muskelzelle gelangt, wird unter Zuhilfenahme der Ribosomen das Spike Antigen hergestellt, das die Immunantwort auslöst. Um die Aufnahme in die Muskelzellen zu erleichtern, wird die mRNA der Impfstoffe in Liposomen oder Lipid-Nanopartikeln eingehüllt. RNA-basierte Impfstoffe gelten allgemein als sehr sicher. Für den Herstellungsprozess von mRNA sind keine toxischen Chemikalien oder Zellkulturen erforderlich, die mit Viren kontaminiert sein könnten. Die vom mRNA Strang kodierte genetische Information wird nicht in das menschliche Genom integriert und in der Zelle rasch abgebaut.

Vektorimpfstoffe

Vektorimpfstoffe verwenden nicht krankmachende Viren, die das Genmaterial (DNA) für das Impfantigen enthalten. Der Vektor ermöglicht den Eintrag der genetischen Information in die Wirtszelle, ohne dass sich das Vektorvirus in menschlichen Zellen vermehren kann. Als Vektoren werden ein Adenovirus von Schimpansen (ChAdOx1/AstraZeneca) oder ein humanes Adenovirus Serotyp 26 (Janssen) verwendet. Sputnik V verwendet für die erste Impfung einen rekombinanten Adenovirus-Vektor auf der Basis des menschlichen Adenovirus Typ 26 und für die 2te Impfung einen Vektor auf der Basis des menschlichen Adenovirus Typ 5. Die Verwendung unterschiedlicher Vektoren bei Erst- und Boosterimpfung hat theoretisch den Vorteil, dass die zweite Impfung nicht durch Antikörper gegen den Vektor blockiert werden kann, die sich nach der ersten Impfung ausbilden. Bislang gibt es für einen solchen Effekt aber keine Belege.

Alle zugelassenen Impfstoffe wurden an großen Kollektiven in Studien getestet und haben ein ähnliches Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil.  Die typischen Nebenwirkungen umfassen u.a. Lokalreaktion +/- Muskelschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Lymphknotenschwellung. Diese Nebenwirkungen treten häufig auf, sind aber immer passager und verschwinden nach 48-72 Stunden.

Das Ziel der Impfungen ist primär der Schutz vor schweren Erkrankungen, die eine Krankenhausaufnahme oder eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich machen und somit auch der Schutz vor COVID-19 assoziierten Todesfällen. Dieses Ziel wird von allen bisher zugelassenen Impfstoffen erreicht.

Die Hauptunterschiede liegen in der Anzahl der erforderlichen Impfdosen (Biontech, Moderna und Astra-Zeneca zwei Gaben, Janssen eine Gabe) sowie dem Abstand zwischen zwei Impfungen (Biontech 21 Tage, Moderna 28 Tage; AstraZeneca 3 Monate). Außerdem gibt es sehr deutliche Unterschiede in den erforderlichen Lagerungs- und Transportbedingungen und der damit verbundenen Logistik. Aktuell werden alle Impfstoffe als Multidose geliefert, so dass Einzelimpfungen nicht möglich sind. Alle Impfstoffe werden intramuskulär geimpft.

Die Moderna, AstraZeneca (&Janssen) Impfstoffe sind derzeit ab dem 18 Lebensjahr zugelassen, der von BionTech ab dem 16ten Lebensjahr. Studien bei Kindern ab dem 12 Lebensjahr werden derzeit von BionTech, Moderna und Janssen durchgeführt. Studien an Kinder unter 12 Jahre sind in der Planung. Der Zeitpunkt der Zulassung ist derzeit nicht bekannt.

Argumente für die SARS-CoV-2 Impfung bei kinderonkologischen Patienten

Nach derzeitigem Kenntnisstand haben Kinder und Jugendliche nur ein niedriges Risiko schwer an COVID 19 zu erkranken. Dieses gilt auch für Kinder und Jugendliche, die eine onkologische Erkrankung haben und keine Stammzelltransplantation erhielten.

Allerdings sind einzelne schwere Erkrankungsfälle bei kinderonkologischen Patienten beschrieben und eine SARS-CoV-2 Infektion während der intensiven Therapie führt in vielen Fällen, auch ohne jegliche klinischen Probleme, zu einer unerwünschten Unterbrechung der Therapie, was sich auf die Therapieintensität und auf den Therapieerfolg auswirken kann.

Da eine SARS-CoV-2 Infektion jedweden Schweregrades möglicherweise zu einer Therapieverzögerung führt, ist der Schutz kinderonkologischer Patienten besonders wichtig. Allerdings wurden die bisherigen Impfstudien nicht an onkologischen Patienten durchgeführt, so dass zur Immunogenität der Impfung in der Zeit der Therapie (während der Immunsuppression) derzeit keine Aussage gemacht werden kann.

Mögliche Zeitpunkte der Impfung

Nationale und internationale Impfempfehlungen gehen davon aus, dass 3-6 Monate nach Ende der Chemotherapie keine schwerwiegende Immunsuppression mehr besteht und Auffrischimpfungen erfolgen können. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) empfiehlt Erwachsenen unter Chemotherapie die COVID-Impfung. Besonders naheliegend ist es, enge Kontaktpersonen der Patienten zu impfen, um das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 auf die Patienten zu reduzieren. Auch wenn nach heutigem Kenntnisstand keine der Impfungen eine Infektion mit dem Virus generell ausschließt und somit auch vollständig Geimpfte das Virus möglicherweise vorübergehend erwerben und übertragen können, ist die Wahrscheinlichkeit dafür sicher gegenüber einer symptomatischen Infektion bei nicht Geimpften deutlich reduziert. Daher hat Umgebungsprophylaxe der engen Kontaktpersonen einen besonderen Stellenwert.

Grundsätzliche Änderungen bei den erforderlichen Hygienemaßnahmen (AHA+L Regeln) oder bei der Indikation zu einer gezielten Diagnostik im Verdachtsfall (eines Screenings bei Mitaufnahme) ergeben sich durch Impfung nicht.

Die GPOH empfiehlt in Abstimmung mit der DGPI

  • die Impfung entsprechend der aktuellen Risikostratifizierung nach
    Priorisierungsgruppe 2 mit hoher Priorität.
  • Die Impfung von engen Kontaktpersonen (Angehörigen/Pflegenden)
    wird nachdrücklich empfohlen.
  • Geimpfte Patienten oder pflegende Angehörige (sowie Personen mit nachweislich durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion) sollen auch nach abgeschlossener Impfung sämtliche Hygienemaßnahmen (AHA + L)) weiterhin einhalten und auf respiratorische Infekte bzw. Kontakt zu COVID- positiven Personen hinweisen.
  • Die Untersuchung asymptomatischer Patienten oder ihrer Begleitpersonen (SARS-CoV-2 Screening) soll auch bei geimpften Personen fortgeführt werden.
  • Jugendlichen ab dem 16 Lebensjahr mit onkologischer Grunderkrankung und einer Remissionsdauer von weniger als 5 Jahren wird die Impfung mit einem hierfür zugelassenen Impfstoff empfohlen.
  • Die Impfung von jüngeren Kindern oder Jugendlichen (derzeit < 16 LJ) außerhalb der aktuell gültigen Zulassung (off-label) wird nicht empfohlen
  • Die Impfung soll entsprechend der Zulassung intramuskulär erfolgen.
  • Alle bisher zugelassenen Impfstoffe werden seitens der Wirksamkeit (d.h. Verhinderung schwerer Verläufe und Todesfälle) als gleichwertig angesehen
  • Ein effektives Ansprechen nach der ersten Impfung ist im Allgemeinen 3 Monate nach Ende der Chemo-Therapie zu erwarten.
  • Über eine Impfung unter bestehender immunsuppressiver Therapie (inklusive während der Erhaltungstherapie einer Leukämie) soll individuell entsprechend der lokalen epidemiologischen Situation, sowie nach einer fachärztlichen Abwägung des zu erwartenden Nutzens versus mögliche Ineffektivität/kürzere Effektivität entschieden werden, da es bislang für diese Konstellation keine Daten zur Wirksamkeit gibt.
  • Die routinemäßige Kontrolle von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 wird außerhalb von Studien nicht empfohlen. Zur Überprüfung der Immunantwort nach SARS-CoV-2 Impfung bei kinderonkologischen Patienten wird von der Arbeitsgruppe Infektionen der GPOH gerade ein Pilotprotokoll entwickelt. Wir bitten deswegen, bei einer geplanten Impfung kinderonkologischer Patienten gegen SARS-CoV-2 mit einem der Sprecher der Gruppe Kontakt aufzunehmen (lehrnbecher@kgu.de oder Arne.Simon@uks.eu )

Selbstverständlich sind die jeweils aktuellen Verlautbarungen der STIKO und des Paul-Ehrlich-Instituts in Hinblick auf die Sicherheit der verfügbaren Impfstoffe zu beachten.