Hinweise zur Impfung gegen SARS-CoV-2 (Covid-Impfung) bei kinderonkologischen Patienten

Ergänzung November 2021 zur letzten Fassung Juni 2021

Publiziert am 15.11.2021

Hans Jürgen Laws, Andreas Groll, Arne Simon, Johannes Hübner, Tobias Tenenbaum, Thomas Lehrnbecher, für die AG „Infektionen“ der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (GPOH)
in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)


Die Ständige Impfkommission (STIKO) vom Robert-Koch-Institut empfiehlt im Epidemiologischen Bulletin 39/2021 vom 30. September 2021 für immundefiziente Patienten wie Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankungen eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV).

Da bei Individuen unter 30 Jahren das Risiko des Auftretens einer Myokarditis nach Impfung mit dem Impfstoff von Moderna (Spikevax®) höher ist als mit dem Impfstoff von BioNTec/Pfizer (Comirnaty®), sollen entsprechend einer Pressemitteilung der STIKO vom 10.11.2021  Personen unter 30 Jahren ausschließlich mit Comirnaty® geimpft werden. Ebenso wird empfohlen, Personen im Alter <30 Jahren, die bereits eine 1. Impfstoffdosis Spikevax® erhalten hatten, bei den folgenden Impfungen mit Comirnaty® zu impfen. Comirnaty® ist in Deutschland für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen.  In Kürze ist die Zulassung von Comirnaty® für 6-11-jährige zu erwarten, und es ist anzunehmen, dass die STIKO entsprechend der bisherigen Empfehlung auch für Immunsupprimierte und onkologische Patienten dieser Altersgruppe die Impfung (im Sinne einer Indikationsimpfung für Patienten mit erhöhtem Risiko für einen komplizierten Verlauf der SARS-CoV-2 Infektion) empfehlen wird.

Üblicherweise werden bei den Totimpfstoffen wenige, charakteristische Antigene von Viren oder Bakterien genutzt. Sie können unter onkologischer Therapie unbedenklich eingesetzt werden, ihre Wirksamkeit entspricht hierbei jedoch nicht der bei Gesunden. Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte Viren enthalten (z.B. gegen Masern, Röteln, Windpocken oder Mumps) sind während der intensiven onkologischen Therapie ausnahmslos kontraindiziert und sollen frühestens 6 Monate nach Ende der Therapie (bzw 2 Jahre nach allogener Stammzelltransplantation) eingesetzt werden. Keiner der bisher zugelassenen oder in klinischer Prüfung befindlichen Corona-Impfstoffe fällt in diese Kategorie und auch die Vektorimpfstoffe beinhalten keine vermehrungsfähigen Viren.

Argumente für die SARS-CoV-2 Impfung bei kinderonkologischen Patienten

Nach derzeitigem Kenntnisstand haben Kinder und Jugendliche nur ein niedriges Risiko, schwer an COVID 19 zu erkranken. Auch wenn entsprechend kürzlich publizierter Studien die meisten pädiatrischen Patienten mit Krebserkrankungen, die eine SARS-CoV-2 Infektion erleiden, nur leichte Symptome haben und sich vollständig erholen, benötigen etwa 10% der Patienten intensivmedizinische Betreuung, und 1-3% der stationär behandelten Kinder mit Krebserkrankung versterben an der Infektion. Zusätzlich führt eine SARS-CoV-2 Infektion während der intensiven Therapie in vielen Fällen, auch ohne jegliche klinischen Probleme, zu einer unerwünschten Unterbrechung der Therapie, was sich auf die Therapieintensität und auf den Therapieerfolg auswirken kann. Deshalb ist der Schutz kinderonkologischer Patienten vor SARS-CoV-2 besonders wichtig. Dies ist in Einklang mit oben genannter STIKO Empfehlung, in der eine Verabreichung von 2 Impfstoffdosen im Abstand von 3 bis 6 Wochen für Kinder mit angeborener oder erworbener Immundefizienz empfohlen wird. Diese soll etwa 6 Monate nach der 2. Impfung (bei schwerere Immundefizienz bereits nach 4 Wochen) mit einer 3. Impfstoffdosis aufgefrischt werden. Allerdings liegen zur Effektivität der Impfung bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen nur limitierte Daten vor, so dass zur Immunogenität der Impfung in der Zeit der Therapie (während der Immunsuppression) derzeit keine Aussage gemacht werden kann.

Mögliche Zeitpunkte der Impfung

Nationale und internationale Impfempfehlungen gehen davon aus, dass 3-6 Monate nach Ende der Chemotherapie keine schwerwiegende Immunsuppression mehr besteht und Auffrischimpfungen erfolgen können. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) empfiehlt Erwachsenen unter Chemotherapie die COVID-Impfung. Besonders naheliegend ist es, enge Kontaktpersonen der Patienten zu impfen, um das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 auf die Patienten und das Personal in der Kinderonkologie zu reduzieren. Auch wenn nach heutigem Kenntnisstand keine der Impfungen eine Infektion mit dem Virus generell ausschließt und somit auch vollständig Geimpfte das Virus vorübergehend erwerben und übertragen können, ist die Wahrscheinlichkeit dafür sicher gegenüber einer symptomatischen Infektion bei nicht Geimpften deutlich reduziert. Daher hat Umgebungsprophylaxe der engen Kontaktpersonen einen besonderen Stellenwert.

Grundsätzliche Änderungen bei den erforderlichen Hygienemaßnahmen (AHA+L Regeln) oder bei der Indikation zu einer gezielten Diagnostik im Verdachtsfall (eines Screenings bei Mitaufnahme) ergeben sich durch Impfung nicht.

Die GPOH empfiehlt in Abstimmung mit der DGPI

  • die Impfung entsprechend den aktuellen Empfehlungen der STIKO.
  • Ein effektives Ansprechen nach der ersten Impfung ist im Allgemeinen 3 Monate nach Ende der Chemo-Therapie zu erwarten.
  • Über eine Impfung unter bestehender immunsuppressiver Therapie (inklusive während der Erhaltungstherapie einer Leukämie) soll individuell entsprechend der lokalen epidemiologischen Situation, sowie nach einer fachärztlichen Abwägung des zu erwartenden Nutzens versus mögliche Ineffektivität/kürzere Effektivität entschieden werden, da es bislang für diese Konstellation keine an größeren Populationen erhobenen Daten zur Wirksamkeit gibt.
  • Die routinemäßige Kontrolle von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 wird außerhalb von Studien nicht empfohlen. Zur Überprüfung der Immunantwort nach SARS-CoV-2 Impfung bei kinderonkologischen Patienten wird von der Arbeitsgruppe Infektionen der GPOH derzeit eine Studie durchgeführt. Wir bitten deswegen, bei Interesse Kontakt aufzunehmen (lehrnbecher@kgu.de).
  • Die Impfung aller engen Kontaktpersonen (Angehörigen/medizinisches Personal) wird nachdrücklich empfohlen.
  • Geimpfte Patienten oder pflegende Angehörige (sowie Personen mit nachweislich durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion) sollen auch nach abgeschlossener Impfung sämtliche Hygienemaßnahmen (AHA + L) weiterhin einhalten und auf respiratorische Infekte bzw. Kontakt zu COVID- positiven Personen hinweisen.
  • Die Untersuchung asymptomatischer Patienten oder ihrer Begleitpersonen (SARS-CoV-2 Screening) soll auch bei geimpften Personen entsprechend lokalen Bestimmungen durchgeführt werden.
  • Kindern und Jugendlichen mit onkologischer Grunderkrankung und einer Remissionsdauer von weniger als 5 Jahren wird die Impfung mit einem für das Alter zugelassenen mRNA Impfstoff empfohlen.
  • Die Impfung von jüngeren Kindern oder Jugendlichen (derzeit < 12 LJ) außerhalb der aktuell gültigen Zulassung (off-label) wird nicht empfohlen
  • Die Impfung soll entsprechend der Zulassung intramuskulär erfolgen.

Zu beachten ist, dass das SARS-CoV-2 Virus nicht der einzige virale Erreger von Atemweginfektionen ist, der bei kinderonkologischen Patienten schwere Erkrankungen hervorrufen kann, sondern es müssen auch andere Erreger wie Influenza oder RSV berücksichtigt werden. Während für die Influenza Stellungnahmen zur Impfprävention vorliegen, gibt es gegen das sich zurzeit massiv in der Bevölkerung ausbreitende RSV zur Zeit noch keine aktive Immunisierung.