Am 15. August 2021 ist Roswitha Bruns im Alter von 68 Jahren in Greifswald  verstorben. Mit ihr hat die deutsche Kinder- und Jugendmedizin und insbesondere die Infektiologie eine überaus engagierte Kollegin und frühere Erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) verloren. Wir trauern um diesen Verlust und unsere Gedanken sind auch bei ihren Angehörigen.

Zunächst aufgewachsen in Thüringen erlebte sie ihre Schulzeit in Potsdam, wo sie gleichzeitig mit dem Abitur auch eine Facharbeiterprüfung als Gärtnerin für Zierpflanzen- und Gemüseanbau ablegte. 1973 wechselt sie zum Studium der Humanmedizin nach Greifswald, wo sie 1979 das Staatsexamen mit einer Diplomarbeit zu IgM-Antikörpern bei kindlichen respiratorischen Erkrankungen bestand. Während der Weiterbildung in Kinder- und Jugendmedizin an der Greifswalder Universitätskinder-klinik promovierte sie zum infektiösen Hospitalismus auf Kinderstationen.

Über den Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin hinaus qualifizierte sie sich in Infektions- und Tropenmedizin, pädiatrischer Pneumologie und Allergologie und erwarb die entsprechenden Weiterbildungsermächtigungen.  Seit 1994 war sie Oberärztin in allgemeiner Pädiatrie, Infektiologie, Pneumologie und Allergologie und begeisterte Generationen von Studenten und Assistenzärzten.

2001 habilitierte sie sich zur Impfberatung mit Aufarbeitung möglicher Nebenwirkungen mit dem Ziel der Verbesserung der Durchimpfungsraten. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen betrafen meist infektiologische und pneumologische Themen. Besonders setzte sie sich für die Impfung der Kinder und Erwachsenen ein und organisierte viele Jahre lang Impftage, die für Hausärzte wichtigen Impf-kurse und andere Fortbildungen. Die meist im Bundesvergleich exzellenten Impfraten des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind nicht zuletzt auch ihrem unermüdlichen erfolgreichen Einsatz zu verdanken.

In der Folge übernahm sie Verantwortung sowohl in der Klinik als auch an der Universität Greifswald, im Land Mecklenburg-Vorpommern und beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin auf Gebieten der Kinder- und Jugendmedizin, Infektiologie und Immunologie, u.a. zu HIV und Tbc. Besonders engagierte sie sich auch für das regionale Mukoviszidosezentrum. Bei der Landesärztekammer Mecklenburg-Vorpommern setzte sie sich für die Weiterbildung ein und war Prüferin in Pädiatrischer Infektiologie, einem Fach, das sich erst allmählich bundesweit als Zusatzbezeichnung etablieren konnte, während es bezeichnenderweise in Roswitha Bruns Heimatland als Schwerpunkt z.B. der Neonatologie oder Kardiologie ebenbürtig war.

Ein wesentliches Wirkungsfeld war die DGPI: Schon 2004 organisierte sie den Infektiologischen Intensivkurs mit praktischen Übungen in der Mikroskopie. Nach Tätigkeit im Beirat war sie von 2009-2013 Erste Vorsitzende und damit die erste und bisher einzige Dame an der Spitze der deutschen Kinderinfektiologie. Bei ihrer Wahl auf der Jahrestagung in Bremen wurde das Ergebnis (wohl in Anspielung auf die damalige Bundeskanzlerin mit ähnlicher Herkunft) mit den Worten verkündet, Frau Angela Bruns sei gewählt worden. Sie entgegnete lachend, „meine Name ist Roswitha“.

Mit ihrem Sinn für praktische Problemlösungen perfektionierte sie die Abläufe in der DGPI und erweiterte das Tätigkeitsfeld mit der Stoßrichtung „Europa“. Auch später vertrat sie die DGPI in Bundesgremien im Auftrag des Vorstandes. 2014 organisierte sie die mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin gemeinsame veranstaltete Jahrestagung der DGPI in Leipzig. Es war ihr wichtig, die besondere Bedeutung der Infektiologie in der Pädiatrie hervorzuheben: Sie wies mit Recht darauf hin, dass die Ursprünge der Medizin für Säuglinge und Kinder aus der Auseinandersetzung mit infektiologischen Problemen stammten und gerade aus Deutschland viele Impulse dazu gekommen waren. 2021 wurde sie zum Ehrenmitglied der DGPI ernannt.

Obwohl sie im November 2018 offiziell in den Ruhestand ging, führte sie mehrere Sprechstunden an der Universitätskinderklinik fort, weil es, wie überall in Deutschland, schwierig war, qualifizierte Nachfolger für das breite Themengebiet ihrer Arbeit zu finden und die Patienten und ihre Eltern sie über die Maßen schätzten. Ab Frühjahr 2020 kam dann das infektiologische Thema SARS-CoV-2 in ihren Fokus, für das sie Landesregierung und RKI beriet. Von November 2020 bis kurz vor ihrem Tod war sie medizinische Leiterin des Impfzentrums des Landkreises Vorpommern-Greifswald und wurde für ihre gelungene Organisation mit Lob der Impflinge und offiziellen Stellen überschüttet.

Roswitha Bruns hatte die Gabe, andere Menschen für ihr Anliegen einzunehmen, was sich sehr gut nicht nur an ihren Erfolgen beim Impfen in Mecklenburg-Vorpommern ablesen lässt. Sie überzeugte auf charmante Art und mit strahlendem Lächeln. Dabei stellte sie unprätentiös immer die Sache, die Gesundheit der Kinder oder ihrer Patienten und nicht sich selbst in den Fokus der Diskussion. Bei aller souveränen Sachbezogenheit strahlte sie gleichsam Esprit und einen gewissen Stolz aus. Sie war auf sympathische und einnehmende Art energisch. Ihr Vorbild in ihrem selbstlosen Eintreten für das Wohl der Kinder und ihrer Familien bleibt als Richtschnur unseres Handelns als Kinder- und Jugend-ärzte. In ihrem Geiste müssen Gemeinwohl und Gemeinsinn beachtet werden, wenn tragfähige, kluge und nachhaltige Lösungen etabliert werden sollen. Mit ihrer scheinbar unerschöpflichen Energie inspirierte sie – oft mutig – Projekte, Themen, Menschen und Institutionen.

Ihr vielseitiges Interesse ging weit über Medizin hinaus – sie bestellte voller Engagement ihren häuslichen Blumengarten am Teich, erfreute sich an kulturellen Darbietungen  und erkundete begeistert ihr noch unbekannte Orte in aller Welt. Ein besonderes Glück stellten für sie ihre beiden Enkelsöhne dar, mit denen sie gerne Zeit verbrachte.

Trotz ihrer bösartigen Erkrankung behielt sie ihren Elan und ihre Energie. Obwohl der Tod nicht unerwartet kam, war der Zeitpunkt doch für ihre Mitmenschen plötzlich und manche noch erhoffte Begegnung konnte nicht mehr realisiert werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, die gesamte deutsche Kinder- und Jugendmedizin und auch wir werden ihr ein dankbares und ehrendes Andenken bewahren und sie, ihr Wort und ihr Wirken traurig vermissen.

— Hans-Iko Huppertz, Horst Schroten, Markus Rose