Prof. Dr. Walter Marget

Prof. Dr. Walter Marget

Am 21. Januar 2013 ist Prof. Dr. med. Walter Marget in München gestorben.
Hier war er bis zu seiner Emeritierung von 1967 bis 1986 Leiter der Abteilung für Antimikrobielle Therapie und Infektionsimmunologie an der Universitätskinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig Maximilians Universität München.

Walter Marget wurde am 1.August 1920 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur 1939 begann er mit dem Medizinstudium und war als Student in Innsbruck, Wien und Heidelberg. Kriegsbedingt war er zwischenzeitlich als Gebirgsjäger in den Alpen, am Nordkap und in Russland eingesetzt. 1946 schloss er das Studium mit dem Staatsexamen ab und begann eine mikrobiologische Weiterbildung als Assistenzarzt am Institut für Hygiene und Mikrobiologie Heidelberg, die er mit der Promotion 1951 beendete.

Sein Interesse an der klinischen Medizin und insbesondere der Pädiatrie führte ihn 1951 an die Universitätskinderklinik in Freiburg.  Neben der Weiterbildung zum Facharzt für Kinderheilkunde wurde der Aufbau seines pädiatrisch-infektiologisch ausgerichteten Labors zur wegweisenden Aktivität, auch für seine späteren wissenschaftlichen und klinischen Interessen. Dieses Labor existiert noch heute, und jedem der dort arbeitenden Kollegen sind Name und Pioniergeist seines Gründers bekannt.

Walter Marget wandte sich in seiner Freiburger Zeit einem wissenschaftlichen Thema zu, das bis heute an Aktualität gewonnen hat, auch wenn es eine Richtungsänderung genommen hat: Es war die Epidemiologie und Pathogenese von nosokomialen Staphylokokken-Infektionen bei Neugeborenen. Im Gegensatz zu heute waren es nicht die Resistenzprobleme, sondern vielmehr die Erforschung der Erregerreservoire, der Infektionsketten und -übertragung. Mithilfe der Lysotypie, der Typendifferenzierung von Bakterienstämmen durch standardisierbare Bakteriophagen, konnte Marget erstmals Hospitalepidemien bei Neugeborenen nachweisen. Über dieses Thema habilitierte er sich 1961 und erhielt im gleichen Jahr für diese Arbeiten den Ernst Moro Preis der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde.

1962 wurde Prof. Dr. Klaus Betke, Freiburger Kinderhämatologie und Margets Weggefährte, zum Direktor der Universitätskinderklinik Tübingen berufen. Walter Marget folgte dem gleichgesinnten Freund nach Tübingen und 5 Jahre später an die Universitätskinderklinik in München. In dieser Münchner Zeit entwickelte er die Grundlagen einer  klinischen, forschungsgestützten und patientennahen Infektiologie in Klinik und Praxis. Walter Marget gründete die Abteilung für Antimikrobielle Therapie und Infektionsimmunologie, die noch heute in weiterentwickelten  Strukturen arbeitet (mikrobiologisches und infektionsimmunologisches Labor, Forschungslabore) und klinische und wissenschaftliche Aufgaben erfüllt (Diagnostik und Behandlung von Infektionen und  Immundefekten, Klinikhygiene).

Schon Anfang der siebziger Jahre traten die nosokomialen Infektionen wieder in den Fokus seines wissenschaftlichen Interesses. Gemeinsam mit Prof. Dr. Franz Daschner (später Universität Freiburg) wurden erste drittmittelgeförderte epidemiologische Studien in Süddeutschland durchgeführt. Dies erfolgten in enger Kooperation mit Arbeitsgruppen der amerikanischen Centers for Disease Control in Atlanta;  diese Aktivitäten haben entscheidend zur Etablierung des Faches Klinikhygiene in Deutschland beigetragen.

Alle anderen Arbeitsrichtungen in Margets Abteilung waren stark mit den Interessen seiner Mitarbeiter, darunter zahlreicher  „research fellows“ mit internationalen Wurzeln, verbunden. Als gemeinsamem Schwerpunkt bildeten sich mehr und mehr die Fragen der „host-defense“ Mechanismen heraus. Folgerichtig war beispielsweise, dass die ersten Knochenmarktransplantationen bei onkologischen und immundefekten Patienten gemeinsam mit der Abteilung für Hämatologie und Onkologie durchgeführt wurden.

Walter Marget führte seine Abteilung mit großer Liberalität und persönlicher Förderung seiner Mitarbeiter. In der wissenschaftlichen Orientierung bewies er Originalität, Weitsicht und Eingehen auf aktuelle Entwicklungen. Zeitlebens lag ihm der Fortbestand seiner Abteilung am Herzen, wissend, dass es die Pädiatrie ohne Infektiologie nicht geben konnte.

Über 100 Doktoranden wurden von Marget betreut. Er förderte die Habilitation seiner Schüler (Dieter Adam, Franz Daschner, Bernd Belohradsky, Reinhard Roos, Michael Weiß) und damit die Erweiterung des wissenschaftlich-klinischen Spektrums seiner Abteilung. In diesem Kreis, wie überhaupt, war Walter Marget offen für jede Diskussion, für neue Ideen, in jeder Besprechung bereichernd, ermutigend, oft enthusiastisch, immer charismatisch. Walter Margets Lebensfreude und Liberalität wurden für jeden spürbar !

Im Vordergrund seiner „persönlichen“ experimentellen Themen lag in den letzten Jahren die Frage nach der krankheitsverursachenden Bedeutung der Endotoxine, der Lipopolysaccharide gramnegativer Bakterien. Seine wissenschaftlichen Arbeiten führten zu einigen Hundert Veröffentlichungen und über 30 Buchbeiträgen.

1973 gründete Walter Marget die englischsprachige Zeitschrift „Infection“, die er zu einem europäischen Publikationsorgan mit weiter Verbreitung entwickelte und deren Herausgeber er über seine Emeritierung hinaus noch einige Jahre blieb.

Walter Marget war Mitglied nationaler und internationaler Fachgesellschaften, in der Pädiatrie, Mikrobiologie und Infektiologie. Er war Mitbegründer der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG), der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und der European Society for Paediatric Infectious Diseases (ESPID). Er war Ehrenmitglied der Pediatric Infectious Diseases Society of America (PIDSA), in Anerkennung seiner unablässigen Förderung europäisch-amerikanischer Kontakte, aus denen beste persönliche Freundschaften entstanden waren.
Er erhielt den Award for Excellence der European Society for Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID), die Ehrenmedaille der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), das Bundesverdienstkreuz.

1988 haben seine Schüler Dieter Adam und Franz Daschner die „Walter Marget Vereinigung zur Förderung der Infektiologie“ ins Leben gerufen. Über 50 junge Stipendiaten sind zu Forschungs- und Weiterbildungsaufenthalten in europäische und transatlantische Zentren gekommen. Welche Institution hat der deutschen Infektiologie eine so nachhaltige „Marshall-Plan-Hilfe“ geboten?

„Das Dr. von Haunersche Kinderspital hat einen seiner bedeutenden Ärzte, Forscher und Lehrer verloren. Prof. Marget war wegweisend für die Entwicklungen der Infektionsbehandlung von Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen und wirkte weit über Münchens Grenzen hinaus. Er hat Generationen von Studierenden und Kinderärzten geprägt und begleitet. Seine Menschlichkeit und sein Wirken bleiben uns ein Vorbild.“
(aus dem Nachruf des Münchner Klinikdirektors Prof. Dr. Christoph Klein und seiner Vorgänger, Prof. Dr. Beat Hadorn und Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Reinhardt)

Seine Schüler:
Dieter Adam, Bernd Belohradsky, Franz Daschner, Reinhard Roos, Michael Weiß
München, 23. Mai 2013