Prof. Dr. med. Reinhard Roos, verstorben am 18. März 2025
Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) nimmt mit großer Trauer Abschied von Prof. Dr. med. Reinhard Roos, der am 18. März 2025 im Alter von über 80 Jahren verstarb. Mit ihm verliert die Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland nicht nur einen hochgeschätzten Kollegen, engagierten Kinder- und Jugendarzt und exzellenten, international anerkannten Experten, sondern eine der prägendsten Persönlichkeiten der pädiatrischen Infektiologie der späten Nachkriegsgeschichte in Deutschland.
Reinhard Roos, am 17. April 1944 in Jena geboren und aufgewachsen im schwäbischen Oberkochen bei Aalen, studierte in Tübingen Medizin. Seine Facharztausbildung absolvierte er am Dr. von Hauner‘schen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München bei Herrn Prof. Klaus Betke, bei dem er 1982 habilitierte, zunächst zum Oberarzt ernannt wurde, um später als leitender Oberarzt der Neonatologie ans Klinikum Großhadern der LMU zu wechseln. Im Jahr 1992 wurde er zum C3-Professor für Neonatologie berufen und übernahm im November 1994 die Position des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Städtischen Klinikum München-Harlaching, die er bis zu seiner Pensionierung mit großem Engagement und Weitblick führte.
Herr Prof. Roos war nicht nur ein herausragender Kinderarzt und Kliniker, sondern auch ein leidenschaftlicher Wissenschaftler. Seine Schwerpunkte lagen in der Versorgung von Frühgeborenen, der Prävention und Behandlung der neonatalen Sepsis und Krankenhausinfektionen sowie in der Entwicklung moderner Hygienekonzepte. Darüber hinaus setzte er sich für Impfprävention und den verantwortungsvollen Einsatz antimikrobieller Therapien in der Kinder- und Jugendmedizin ein. Stets war er engagierter Verfechter von Behandlungsprinzipien, die durch profunden Kenntnisreichtum verfügbarer Daten, langjährige klinische Erfahrungen und die rationale Analyse von Befunden belegt waren, dabei immer ausgerichtet am Wohl jedes einzelnen Kindes. So streitbar er im Verfechten dieser Prinzipien sein konnte, so charmant, vermittelnd und oft augenzwinkernd gelang es ihm in eindrucksvoller Weise jede noch so kontroverse Diskussion in eine konstruktive Richtung zu lenken, an deren Ende immer eine gemeinschaftlich getragene Entscheidung stand.
Leidenschaftlich vertrat Prof. Roos nicht nur die Neonatologie, deren Professor er war, sondern ganz besonders auch die damals noch junge pädiatrische Infektiologie in der Bundesrepublik. So überrascht es nicht, dass er nach der Wiedervereinigung eine treibende Kraft für das Zusammengehen von pädiatrischen Infektiologen aus Ost und West und nicht nur eines der Gründungsmitglieder der DGPI wurde, sondern unmittelbar Verantwortung übernahm, indem er von 1993 bis 1999 deren Schatzmeister wurde und in dieser Funktion maßgeblich zur Etablierung und ökonomischen Stabilität der neu gegründeten Fachgesellschaft beitrug. Als langjähriges Vorstandsmitglied prägte und gestaltete er nicht nur die DGPI, sondern trug auch wesentlich zu deren nationalen und internationalen Sichtbarkeit bei. So intensivierte er auch die Kontakte zur damals ebenfalls noch jungen Europäischen Fachgesellschaft ESPID.
Als leidenschaftlicher Lehrer und der Aus- und Weiterbildung verpflichteter Kinderarzt gehörte er auch zu den Gründern des DGPI-Handbuchs „Infektionen bei Kindern und Jugendlichen“. Als langjähriges Mitglied des Redaktionskollegiums trug er wesentlich dazu bei, dieses Buch zum Standardwerk der deutschsprachigen pädiatrischen Infektiologie zu entwickeln. Über mehrere Ausgaben hinweg führte er als Schatzmeister nicht nur Verhandlungen mit den Verlagen, sondern war bis in die frühen 2010er Jahre selbst einer der Motoren eines straff geführten, aber inhaltlich stets ausgewogenen und kompromissfähigen Redaktionskollegiums. Diese Klarheit und Stringenz im klinischen Denken führte konsequenterweise dazu, dass er auch zum Initiator und Herausgeber der „Checkliste Neonatologie – Das Neo-ABC“ wurde und damit ein weiteres praxisnahes Standardwerk schuf, das für viele angehende Neonatologen zur unverzichtbaren Anleitung in ihrer Ausbildung und für gestandene Neonatologen die Referenz für ihr Handeln und Basis vieler krankenhausspezifischer Handlungsleitlinien wurde.
Als weiteres Beispiel für seine Weitsicht und seinen interdisziplinären Geist sei das von ihm initiierte und mitherausgegebene Werk „Fetale und neonatale Infektionen“ (Hippokrates Verlag, 1990) erwähnt. Entstanden in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Werner Handrick und Prof. Dr. Wolfgang Braun, beide tätig an der Universitätskinderklinik Leipzig, markiert dieses Buch eine der frühesten medizinischen Kooperationen zwischen Kinderärzten der Bundesrepublik und der DDR – noch vor der politischen Wiedervereinigung. Diese Kooperation wurde auch zur Keimzelle der sich später aus pädiatrischen Vertretern aus Ost und West gründenden DGPI.
Diese kleine Auswahl aus den zahllosen beruflichen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten von Prof. Roos beschreibt ihn aber nur unvollständig. Trotz der zahlreichen national und international sichtbaren und anerkannten Verdienste blieb Reinhard Roos stets ein bescheidener, seinen Mitmenschen zugewandter Mensch, der das Wohl der Kinder und ihrer Familien stets in den Mittelpunkt seines Handelns stellte. Wer ihn kennenlernen durfte, wurde in den Bann gezogen von seiner sehr klaren und bestimmten, gleichzeitig aber sehr bescheidenen und oft humorvollen Art, Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern sie anzugehen und zu lösen.
Die DGPI verliert mit Prof. Reinhard Roos nicht nur einen exzellenten Arzt und Wissenschaftler, sondern auch einen überaus geschätzten Kollegen, Mentor und Freund – einen klugen, erfahrenen und stets hilfsbereiten Wegbegleiter, der mit Humor, Menschlichkeit und Kompetenz viele Generationen von Kolleginnen und Kollegen geprägt hat. Sein Wirken hat tiefe Spuren hinterlassen: in der Weiterentwicklung unseres Fachgebiets, in der medizinischen Versorgung unzähliger Kinder – und in den Herzen derer, die mit ihm arbeiten durften.
Wir werden ihn in großer Dankbarkeit und mit höchstem Respekt in Erinnerung behalten.
31.3.2025 / Reinhard Berner, Johannes Liese